Jeder zweite Heilbronner hat Migrationshintergrund

Veröffentlicht am 23.04.2015 in AG 60plus

Bild: Richard Mall

  • Jeder zweite Heilbronner hat Migrationshintergrund
  • Integrationsbeauftragte Roswitha Keicher informierte die SPD-Senioren / Bericht von Helmut Sauter

Von den rund 120 000 Einwohnern Heilbronns haben fast die Hälfte – 48 Prozent – eine Zuwanderungsgeschichte. Anlässlich der Mitgliederversammlung der SPD-Arbeits- gemeinschaft 60 plus Heilbronn Stadt und Land im Alten Böckinger Rathaus berichtete die Leiterin der Stabsstelle Partizipation und Integration der Stadt Heilbronn, Roswitha Keicher, über ihre Arbeit, die sie unter dem Aspekt „strukturelle Willkommenskultur in Heilbronn“ versteht: „Vielfalt ist unsere Zukunft“.
Schließlich gilt es, passable Rahmenbedingungen zu schaffen für einen Stadtkreis mit Menschen aus 140 Nationen. Immerhin hat Heilbronn den dritthöchsten Migrantenanteil in Deutschland (nach Duisburg und Pforzheim). Keicher machte auch deutlich, dass ohne den permanenten Zuzug die Heilbronner Bevölkerungszahl abnehmen würde und dass die Heilbronner Wirtschaft dringend auf Fachkräfte auch aus dem Ausland angewiesen sei. Zudem könne angesichts des demografischen Wandels nur durch Zuwanderung unser Sozialsystem aufrecht erhalten werden.
Wie Keicher darlegte, hat sich der Ausländeranteil in Heilbronn in den letzten Jahren erhöht. Lag der Anteil der Einwohner mit ausländischem Pass 1970 noch unter zehn Prozent, so beträgt er heute mehr als 21 Prozent. 2014 hat Heilbronn eine Rekordzuwanderung von 1890 Personen verzeichnet, während es in den vergangenen Jahren durchschnittlich um die 500 gewesen seien. Beachtlich sei dabei der starke Zuwachs von Rumänen und Bulgaren, die jedoch vielfach rasch Arbeit am Bau oder in der Pflege gefunden hätten. Auch die Zahl von zugewanderten Fachkräften aus Indien habe zugenommen, wie überhaupt festzustellen sei, dass heimische Firmen auf eigene Faust Arbeitskräfte „von draußen“ akquirieren. Hinzu kommen vermehrt auch ausländische Studierende der Hochschule. Das Flüchtlintskontingent wird erst in diesem Jahr stärker ins Gewicht fallen.
Die stärkste Migrantengruppe stellen nach wie vor die aus der Türkei stammenden Personen dar, wobei allerdings von den 13 000 Personen etwa 5000 deutsche Staatsbürger sind. Die nächst größeren Gruppen rekrutieren sich aus Rumänien, Polen, der russischen Föderation und aus dem ehemaligen Jugoslawien. Keicher machte darauf aufmerksam, dass man lange nicht zur Kenntnis nehmen wollte, das Deutschland ein Einwanderungsland ist, man vielmehr offiziell davon ausging, dass die „Gastarbeiter“ nach einigen Jahren wieder in ihre Heimatländer zurückkehren. Dass dem nicht so ist, zeige sich darin, dass heute fast ein Drittel (32,8 Prozent) der Migranten 65 Jahre und älter sind. Dazu gehören etwa 1100 Türken, 1600 aus der Russischen Föderation, 1300 aus Polen und 900 aus dem früheren Jugoslawien.
Da die Migranten in der Regel vielfach in körperlich anstrengenden Berufen tätig und weniger gesundheitsbewusst waren, sei zum einen ihre Lebenserwartung gegenüber den Einheimischen geringer, aber auch ihr Gesundheitszustand im Alter. Dies zeige sich heute in der Versorgung im Krankheitsfall im Alter sowie in bei notwendiger Unterbringung in Kliniken und Heimen, wo auffallend sei, dass die „alten“ Migranten oft nur über unzureichenden deutschen Wortschatz verfügt und sich nicht immer verständlich ausdrücken könnten.
Hauptgrund sei, dass früher Angebot von Nachfrage nach Deutschkursen wenig ausgeprägt gewesen sei. Diesem Defizit begegne man jetzt vermehrt mit mehr freiwilligen und verpflichtenden Deutsch-Kursen für Zuwanderer, wenngleich Hindernisse der (finanziellen) Zuständigkeit und auch der Akzeptanz zu überwinden seien. Zudem zeichne sich ein Mangel an geeigneten Dozenten ab.
Generell stellte die Heilbronner Integrationsbeauftragte fest: „Der Anteil der Heilbronner  Bevölkerung mit Migrationshintergrund steigt, je jünger die Altersgruppe ist.“ Ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen sind türkischer Abstammung. So sind von den Sechs- bis Zehnjährigen 70 Prozent ausländischer Herkunft, bei den unter Dreijährigen liegt diese Quote sogar bei 73 Prozent. Diese Zahlen zeigen, wie wichtig es ist, diesen jungen Menschen frühzeitig mit der deutschen Sprache vertraut zu machen, die Hauptvoraussetzung für ein Gelingen von Integration.
Als positiv bewertete Keicher, dass es in Heilbronn keine Gettobildung und keine Stadtteile mit Ausländerschwerpunkten gibt, so dass auch keine Parallelgesellschaften zwangsläufig entstehen.